Jobabsage aufgrund des Hidschāb : Unternehmen leistet Schadenersatz

Eine Frau erhält den ihr versprochenen Job aufgrund ihres Kopftuchs nicht. Mit Hilfe der Gleichbehandlungsanwaltschaft gelingt es ihr, einen Vergleich zu erzielen.

Vorfall: Intersektionelle Diskriminierung im Bewerbungsverfahren

Frau W hat im Zuge ihrer Ausbildung zur Sozialpädagogin ein Praktikum in einer sozialen Einrichtung absolviert. Die Leiterin der Einrichtung, Frau A, ist von ihrer Arbeit und ihrem Engagement beeindruckt und vermittelt Frau W eine Stelle in ihrem Betrieb. Während der Ausübung dieser Tätigkeit beginnt Frau W Hidschāb zu tragen.

Ein halbes Jahr später wird eine Stelle in Frau As eigenem Team frei. Frau A ist nach wie vor begeistert von Frau W und drückt ihren Wunsch aus, Frau W als Teil ihres Teams zu gewinnen. Sie vereinbaren einen Termin, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Zu diesem Termin erscheint Frau W allerdings ohne Hidschāb, da sie befürchtet, das Tragen eines Kopftuchs könnte negativ aufgenommen werden. Den vereinbarten Folgetermin möchte Frau W allerdings mit Hidschāb wahrnehmen und informiert Frau A dementsprechend darüber. Auf diese Nachricht reagiert Frau A schockiert. Sie fühlt sich hintergangen und beharrt darauf, dass Frau W den Beruf mit Kopftuch nicht ausüben werden könne. Frau W versichert Frau A, dass ihr Hidschāb bei ihrer jetzigen Stelle – im selben Unternehmen – kein Hindernis darstelle und hält fest, dass sie keine Schwierigkeit sehe, der neuen Position gewissenhaft nachzukommen. Frau A zieht ihr ursprüngliches Jobangebot dennoch zurück.

Da sich Frau W von Frau A gedemütigt und in ihrer Würde verletzt fühlt, wendet sie sich schließlich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW).

Rechtliche Hintergründe

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der Religion

Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verbietet unter anderem Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und der Religion im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis. Dies betrifft insbesondere auch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses (§ 3 Z 1, § 17 Abs. 1 Z 1 GlBG).

Ziel des GlBG ist es, die gesamte Arbeitswelt, einschließlich der Verhaltensweisen bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, diskriminierungsfrei zu gestalten. Die Formulierung „bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses“ beschränkt sich nicht auf die konkrete Entscheidung über die Einstellung, sondern erfasst auch Benachteiligungen im Rahmen des Auswahlverfahrens. Für die Beurteilung einer Diskriminierung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses ist somit auch auf dem Vertragsabschluss „vorgelagerte“ Verhaltensweisen von Arbeitgeber:innen Bedacht zu nehmen (vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlbG2 [2021] § 3 Rz 13). Der Gesetzgeber verbietet mit § 3 Z 1 GlBG demnach jedes diskriminierende Verhalten in diesem Prozess und qualifiziert es als rechtswidrig (vgl. OGH 23.4.2009, 8 ObA 11/09i).

Eine Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person (unter anderem) aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Zugehörigkeit und/oder ihrer Religion benachteiligt wird. Das Tragen eines religiösen Symbols wie etwa des muslimischen Kopftuchs gilt als Ausdruck einer bestimmten religiösen Zugehörigkeit, wodurch der Schutzbereich des GlBG eröffnet ist. Benachteiligungen aufgrund des Tragens eines muslimischen Kopftuchs betreffen zudem ausschließlich weibliche Personen einer bestimmten Religionszugehörigkeit, sodass hier auch der Diskriminierungsgrund Geschlecht zur Anwendung kommt.

Das Gleichbehandlungsgesetz sieht bei einer Diskriminierung aufgrund der Religion oder des Geschlechts bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Schadenersatz vor. Hier steht der betroffenen Person sowohl ein Ausgleich des erlittenen Vermögensschadens als auch ein Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zu. Gemäß § 26 Abs 1 GlBG beträgt der Ersatzanspruch mindestens zwei Monatsentgelte, wenn der:die Bewerber:in bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte.

Erfolgreicher Vergleich nach Intervention

Frau W wird von der GAW über ihre rechtlichen Möglichkeiten aufgeklärt. Mit der Unterstützung einer Gleichbehandlungsanwältin versucht sie, eine Einigung mit Frau A und deren Arbeitergeber zu erzielen.

In einem Interventionsschreiben wird Frau A, als Arbeitgeberin, darüber aufgeklärt, dass der Vorfall eine Diskriminierung bei der Begründung eines Dienstverhältnisses aufgrund der Religion sowie auch des Geschlechts darstellt. Denn erst als Frau A über Frau Ws Hidschāb erfahren hatte, wurde das Jobangebot zurückgezogen.

Frau Ws Arbeitgeber erklärt sich letztendlich bereit einen außergerichtlichen Vergleich in der Höhe von zwei Monatsentgelten abzuschließen. Frau W, die zwischenzeitlich eine neue Stelle in einem anderen Betrieb gefunden hat, ist mit diesem Betrag als Ausgleich für die Diskriminierung einverstanden und nimmt den Vorschlag an.

Fazit

Die Geschichte Frau Ws ist leider kein Einzelfall. Das spiegelt sich stark in den Zahlen der GAW wider:

  • Jede 5. Frau (20%), die sich bei uns bezüglich einer Begründungsdiskriminierung (Bewerbung für einen Arbeitsplatz) beraten hat lassen, wurde wegen ihres Hidschābs diskriminiert.
  • Fast die Hälfte (48,6%) der Diskriminierungsfälle aufgrund der Religion betrafen Diskriminierungen aufgrund eines Hidschābs oder Burkinis.

Aufgrund aktueller geopolitischer Ereignisse ist anzunehmen, dass unsere Zahlen in den nächsten Monaten steigen werden. Die Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus etwa verzeichnet seit Oktober 2023 einen besorgniserregenden Anstieg von Meldungen.

Des Weiteren ist festzuhalten, dass Diskriminierungen, Übergriffe und Bedrohungen sich nicht nur auf die unmittelbar betroffenen Personen auswirken, sondern auf vielfältige Weise auch einen Einfluss auf das alltägliche Leben muslimischer Menschen und Gemeinschaften haben. Diese können den Eindruck gewinnen, dass es besser beziehungsweise sicherer sei, sich in der Öffentlichkeit nicht als Muslim:in zu zeigen, keine religiöse oder traditionelle Kleidung zu tragen, keine religiösen oder kulturellen Veranstaltungen zu besuchen oder sich nicht für öffentliche Ämter zu bewerben. Das gleicht einer Art Selbstzensur aus Angst vor Stigmatisierung und Angriffen.[1]

Die GAW fordert daher einen umfassenden nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, mit dem sich sämtliche staatliche Akteur:innen verpflichten, wirksame und nachhaltige Maßnahmen im Kampf gegen jegliche Form von Rassismus in ihren Bereichen zu entwickeln und umzusetzen.

Info

Wenn Sie mehr über das Thema Antimuslimischer Rassismus erfahren wollen, empfehlen wir Ihnen unseren Blogbeitrag zu diesem Thema.