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Forderungen Verbesserter Diskriminierungsschutz, höhere Wirksamkeit und Rechtssicherheit

Um einen umfassenden Schutz vor Diskriminierung in Österreich zu erzielen, braucht es Anpassungen im Recht. Viele Lücken im Rechtsschutz werden durch die Anliegen der Menschen, die sich an die GAW wenden, sichtbar gemacht.
Die GAW sieht dringenden Bedarf zur Weiterentwicklung der Gleichbehandlung und Gleichstellung in Österreich, mit folgenden Zielen:

  • Verbesserung des Diskriminierungsschutzes
  • Sicherstellung der Wirksamkeit des bestehenden Schutzes
  • Mehr Rechtssicherheit durch Legaldefinitionen und Klarstellungen

Fünf zentrale Forderungen

1. Umfassender Diskriminierungsschutz in alle Bereichen des Gleichbehandlungsgesetzes (Levelling-Up)

Derzeit gibt es keinen gesetzlichen Schutz, wenn Personen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung, des Alters, der Religion und Weltanschauung benachteiligt oder belästigt und so in ihrer Würde verletzt werden.

Auch beim Sozialschutz (einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste), bei sozialen Vergünstigungen und bei der Bildung bietet das GlBG keinen Schutz vor Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, des Alters, der Religion und Weltanschauung.

Das heißt, dass das Gesetz nicht vor Diskriminierungen wie den folgenden schützt:

  • Ein schwules Paar wird vom Kellner in einem Lokal als „schwule Sau“ beschimpft.
  • Eine Mieterin schildert, dass ihr Vermieter den vorgeschlagenen Nachmieter explizit ablehnt, weil er einen „Moslem“ nicht in der Wohnung haben will.
  • Ältere Menschen beklagen, dass ihnen teurere Medikamente vorenthalten werden.
  • Eine Frau macht sich Sorgen um ihre Tochter, deren Lehrer ihr (und ihren Mitschülerinnen) nur zu gerne zu verstehen gibt, dass Mädchen für Naturwissenschaften nicht geeignet sind.
  • Ein Schüler bekommt von seinem Lehrer Nachrichten, in denen er explizit nach seinem Sexualverhalten gefragt wird.
  • Ein Schüler wird aufgrund seines muslimischen Glaubens beleidigt und ausgegrenzt.

Alle Landes-Antidiskriminierungsgesetz bieten im Gegensatz zum GlBG den umfassenden Schutz beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die sich im Landeskompetenzbereich befinden. Wenn also z. B. homosexuelle Personen im Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung diskriminiert werden, gibt es einen Diskriminierungsschutz.
Ob man im Einzelfall vor einer Diskriminierung geschützt ist, hängt in Österreich letztendlich von der jeweiligen bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung ab.

Auch die UNO fordert eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes: Das CEDAW-Komitee empfiehlt Österreich in seinem 9. periodischen Bericht 2019 den Schutz gegen Diskriminierung in Bezug auf alle verbotenen Gründe sowie eine Vereinheitlichung des Diskriminierungsschutzes sicherzustellen.

Ein umfassender Anti-Diskriminierungsschutz bedeutet nicht, dass es keine sachlichen Differenzierungen geben soll. Im gesamten Gleichbehandlungsrecht findet der Schutz vor Diskriminierung dort seine Grenzen, wo eine unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Gerade die Unterschiedlichkeit der Gründe sexuelle Orientierung, Alter, Religion oder Weltanschauung legt nahe, dass diese vielleicht einzeln hinsichtlich Ausnahmeregelungen konkretisiert werden sollten.

Wesentlich ist allerdings, dass Menschen in unterschiedlichen Lebensbereichen keinen Diskriminierungen und Belästigungen ausgesetzt werden dürfen und Österreich einen einheitlichen Rechtsschutz bietet.

2. Vereinheitlichung des Gleichbehandlungsrechts für einen niederschwelligeren Zugang zum Recht

Ein einheitlicher Kompetenztatbestand im Bundes-Verfassungsgesetz könnte aus Sicht der GAW einen nachhaltigen Ansatz zum Abbau der bestehenden Zersplitterung des Gleichbehandlungsrechts darstellen und damit zu einem leichteren Zugang zum Recht für von Diskriminierung Betroffene beitragen.

Die bestehende Kompetenzaufteilung in der Bundesverfassung führt dazu, dass es sehr viele unterschiedliche Rechtsgrundlagen für das Gleichbehandlungsrecht in Österreich gibt. So unterscheidet sich zunächst der Diskriminierungsschutz für die Privatwirtschaft, der im GlBG und im Behinderteneinstellungs- sowie -gleichstellungsrecht von jenem des öffentlichen Dienstes, der im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geregelt ist. Außerdem kommt es auf Grund der föderalen Struktur zu weiteren zahlreichen Landes-Gleichbehandlungs- und Landes-Antidiskriminierungsgesetzen für die Landesbediensteten und für die Bereiche Soziales, Gesundheit, Bildung sowie Güter und Dienstleistungen, die in die Landeskompetenz fallen. Österreich kommt auf 21 Gesetze und damit auf deutlich mehr als jedes andere europäische Land.

Diese zahlreichen Gesetze bieten einen unterschiedlichen Schutz vor Diskriminierung (siehe auch oben, Levelling-up, in den Landes-Antidiskriminierungsgesetzen bereits erfolgt). Sie bieten auch unterschiedliche institutionelle Rahmenbedingungen: nicht alle Landes-Antidiskriminierungsgesetze bieten die niederschwellige Möglichkeit an, ein Prüfverfahren durch eine Gleichbehandlungskommission vorzunehmen, ein kostenfreies und nichtöffentliches Verfahren, das auch zu Schlichtungen führen kann. Schließlich sehen die Gesetze auch unterschiedliche Rechtsfolgen bei den Schadenersatzregelungen vor.

Zuständigkeitsdschungel: Das größte Problem der Zersplitterung des Gleichbehandlungsrechts ist der sog „Zuständigkeitsdschungel“. Es ist für die Menschen kaum ersichtlich, welche Stellen für sie rechtliche Schritte bei Diskriminierung setzen können. Die GAW verfügt über den größten Bekanntheitsgrad und hat das weitreichendste Mandat hinsichtlich Diskriminierungsgründen und -bereichen. Daher hat unsere Erstberatung seit Jahren auch einen Fokus auf sogenannte Clearinggespräche, um den Zugang zum Recht für die Betroffenen sicher zu stellen.

Umsetzungslücken der Gleichbehandlungsrichtlinien: Die Zersplitterung bringt auch Umsetzungslücken mit sich. Das Steiermärkische L-GBG sieht einen Diskriminierungsschutz außerhalb der Arbeitswelt nur bei diskriminierenden Handlungen durch Organe des Landes vor. Dies bedeutet, dass in den Fällen, in denen Diskriminierungen in Bereichen erfolgen, die aufgrund der Sachmaterie in Landeskompetenz fallen und durch Private verwirklicht werden, derzeit auch für die Gründe Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit (noch) kein Rechtsschutz besteht. Das GlBG wirkt hier auf Grund der Kompetenzverteilung auch nicht. Hier muss das L-GBG dringend novelliert werden.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarats fordert eine zugängliche und wirksame Antidiskriminierungsgesetzgebung. ECRI empfiehlt die unterschiedlichen Antidiskriminierungsgesetze zu vereinheitlichen und in das GlBG ein generelles Diskriminierungsverbot im öffentlichen und staatlichen Sektor aufzunehmen. Das österreichische Gleichbehandlungsrecht könne so zugänglicher und wirksamer gemacht werden.

3. Klagsrecht und Klagsbudget für die GAW für strategische Klagen

Für einen effektiven Diskriminierungsschutz fordert die GAW ein Verbandsklagerecht sowie ein ausreichendes Klagsbudget, um ausgewählte gerichtliche Verfahren zu ermöglichen.

Die GAW kann aktuell von Diskriminierung Betroffene nur im Verfahren vor der GBK begleiten. Vor Gericht ist dies nicht möglich. Die langjährige Expertise aus der Beratung und jene über strukturelle Diskriminierungsmuster können daher derzeit nicht direkt in Gerichtsverfahren verwendet werden. Bei Diskriminierungen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zeigt die Praxis, dass zum Teil ganze Branchen gleichbehandlungsgesetzwidrige Preise vorsehen. Betroffene können beispielsweise bei geschlechtsspezifisch diskriminierenden Eintrittspreisen und dergleichen Schadenersatz einklagen, die Unternehmen ändern aber ihre Preispolitik nicht.

Da es für diesen Bereich kaum Rechtsschutzeinrichtungen gibt, stellt die GAW zwei Hindernisse fest, die Betroffene davon abhalten ihre Rechte durchzusetzen:

  1.  Der Klagsaufwand ist hoch, der zu erwartende Schadenersatz ist gering.
  2.  Es gibt viele offene Rechtsfragen und kaum Judikatur. Daher ist auch das Prozessrisiko sehr hoch.

Eine auf Unterlassung gerichtete Verbandsklage der GAW könnte nachhaltig und effizient zur Verbesserungen der Situation für die Einzelnen mit Diskriminierungserfahrung wie zu einer Einhaltung des GlBG führen. In einem vorgelagerten Abmahnungsverfahren könnten Unternehmen, wie im Konsument:innenschutz üblich, die Möglichkeit haben, eine Klage zu verhindern, indem sie unverzüglich einen gesetzeskonformen Zustand herstellen. Das Verbandsklagerecht sollte aber auch für Fälle in der Arbeitswelt gelten.

Das Behindertengleichstellungsrecht bietet dem Behindertenanwalt und dem Klagsverband bereits ein Verbandsklagerecht für die nachhaltige Verbesserung der Diskriminierungssituation von Menschen mit Behinderung.

Die GAW benötigt zudem auch die Zurverfügungstellung eines Budgets für Klagen in Einzelfällen. Es soll damit der Zugang zum Recht verbessert werden und durch strategische Klagen mehr Rechtssicherheit und -klarheit ermöglicht werden.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarats fordert ein Klagsrecht für die GAW: Im aktuellen Staatenbericht für Österreich aus 2020 empfiehlt ECRI, dass die GAW die Möglichkeit erhalten soll, diskriminierte Personen bei Institutionen und Gerichten zu vertreten, im eigenen Namen vorzutragen, in Rechtsverfahren als Amicus Curiae, Drittpartei oder Sachverständige zu agieren. Ein Verbandsklagerecht und ein Klagsbudget für die GAW würde dieser Empfehlung entsprechen.

4. Ermöglichung des wirksamen Monitorings aktueller Diskriminierungsphänomene

Eine wesentliche Aufgabe der GAW ist es, sich mit aktuellen Diskriminierungsphänomenen zu beschäftigen, insbesondere durch die Erhebung von Daten und die Durchführung von Studien und Untersuchungen.

Zu diesem Zweck benötigt die GAW nicht nur dafür notwendige personelle und technische Ausstattung, sondern vor allem eine Erhöhung des zur Verfügung stehenden Budgets. Das derzeitige Budget beträgt 70.000 Euro pro Jahr. Damit muss die gesamte Informations- und Öffentlichkeitsarbeit abgedeckt werden.

Das Budget kann derzeit nur für Veranstaltungen, Rechtsgutachten und Informationsmaterial verwendet werden. Unabhängige Untersuchungen und Berichte zu aktuellen Diskriminierungsphänomenen wie im Zusammenhang mit dem sozio-ökonomischen Status, mit Algorithmen und Künstlicher Intelligenz und mit der Corona-Krise, können derzeit nicht beauftragt werden.

Es ist Aufgabe der GAW, die Wirksamkeit des bereits bestehenden Gleichbehandlungsrechts hinsichtlich neuer Phänomene einer Evaluierung zu unterziehen und so sinnvolle Optimierungsvorschläge zu bieten. Mit der dafür notwendigen vor allem finanziellen Ausstattung könnte die GAW Lösungsansätze aufzeigen, um adäquat mit neuen und „alten“ Mechanismen der Diskriminierung umzugehen.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarats fordert eine Erhöhung des Budgets: ECRI hält in Zusammenhang mit der personellen und finanziellen Ausstattung der GAW fest, dass ihr diese besonders in Bezug auf die Funktion der Aufklärung und der unabhängigen Forschung fehlen.

Eine spürbare Erhöhung des Budgets wäre dringend notwendig, um den Anforderungen in den nächsten Jahren gerechter zu werden.

5. Ausbau der Wirksamkeit der GAW

Um effektiv wirken zu können, müssen die Personalressourcen der GAW gestärkt werden.

Notwendigkeit vielfältiger Fachkompetenzen und Öffentlichkeitsarbeit: Die GAW benötigt vor allem im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit einschlägiges Fachpersonal, um ihren Aufgaben in unabhängiger Art und Wiese nachkommen zu können. Die Öffentlichkeitsarbeit dient dem Zugang zum Recht. Es ist eine aktive Vernetzung zu Journalist:innen und den Medien dringend geboten, damit die GAW über aktuelle Themen zu Gleichbehandlung und Anti-Diskriminierung informieren und sich bekannt machen kann. Dringend notwendig ist es auch in den sozialen Netzwerken präsent zu sein, um vor allem ein jüngeres Publikum anzusprechen.

Regionen stärken: 2017 kam es zur sogenannten Regionalisierung, also zur Übertragung aller Aufgaben aus dem GlBG auch auf die Regionalbüros bei vorerst gleichbleibendem Personalstand. Aufgrund des erhöhten Bedarfs an Beratung und Unterstützung sowie der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ist es notwendig, die Regionalbüros mit zusätzlichem Personal vor Ort zu unterstützen. Im Zuge der Verordnung wurde festgehalten, dass die personelle Aufstockung so rasch wie möglich nachgeholt werden soll. Durch die Regionalisierung bestehen auch in der Zentrale verstärkte Herausforderungen an die österreichweite Koordination und es besteht auch hier der Bedarf an personeller Aufstockung.

Diese Forderung korreliert auch mit dem aktuellen Regierungsprogramm: Aus Verantwortung für Österreich Regierungsprogramm 2020–2024, Seite 275. Dort heißt es „Gleichbehandlungsanwaltschaft stärken, niederschwellige Angebote für Anti-Diskriminierung schaffen“. Die Regionalbüros schaffen dieses Angebot vor Ort und müssen ausgebaut werden.

Weitere Forderungen für mehr Diskriminierungsschutz, Wirksamkeit & Rechtssicherheit

Gesammelte Forderungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft (PDF, 1,01 MB)